Überblick
- Jugendblick Team
- 6. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Nov.
Was versteht man unter „Übersexualisierung von Kindern und Jugendlichen“?
Betrachtet man den Begriff «Übersexualisierung» und sucht danach im Internet, so erhält man folgende Definition: «Übersexualisierung bezeichnet die übermässige, auffällige oder unangemessene Betonung von Sexualität in Medien, Werbung, Mode oder im sozialen Umfeld. Dabei wird Sexualität in Kontexten dargestellt, in denen sie eigentlich keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen sollte.» Diese Definition ist das Fundament unserer Recherche. Der Titel, den wir für unsere Arbeit gewählt haben, ist etwas länger und kann auf zwei Arten gelesen werden.
Kinder und Jugendliche werden übersexualisiert, also auf Social Media sexuell dargestellt. Interpretiert man unseren Titel auf diese Weise, so kann man schnell denken, dass es in die Richtung der Kinderpornografie, also der sexuellen Ausbeutung von Kindern, geht. Daraus folgt, dass Kinder unmittelbar Opfer der Übersexualisierung sind, da sie selbst sexualisiert dargestellt werden.
Kinder und Jugendliche werden übersexualisiert, also durch ihren Konsum von Medien auf Social Media. Interpretiert man unseren Titel aber auf diese Weise, so kann man daraus ableiten, dass Kinder aufgrund ihres Internet-Konsums überstimuliert und übersexualisiert werden. Das würde bedeuten, die Kinder sind zwar Opfer durch den Einfluss der sexuellen Inhalte, die sie konsumieren, aber sie selbst sind nicht direkt Teil davon.
Wir orientieren uns in unserer Arbeit an der zweiten Definition. Daher ist es wichtig, diese beim Lesen unserer Beiträge im Hinterkopf zu behalten, um die Inhalte der Webseite richtig einordnen und verstehen zu können.
Wo findet diese Übersexualisierung statt?
Das Internet hat unzählige Türen geöffnet und damit endlose Möglichkeiten geschaffen, aber auch neue Gefahren mit sich gebracht. Früher musste man sich eine DVD kaufen, um Pornografie zu konsumieren. Diese DVDs konnten zwar ebenfalls in die Hände von jugendlichen, doch es war viel schwieriger im Vergleich zu heute. Mit dem Aufkommen des Internets änderte sich vieles. Pornografie wurde digital verfügbar, und man musste das Haus nicht mehr verlassen, um sie zu konsumieren. Man brauchte nur noch einen Computer und einen Internetzugang. Auch Jugendliche hatten nun einen leichteren Zugang zu Pornografie als zuvor. Trotzdem war dieser Konsum nicht immer sofort und überall möglich. Erst mit der Verbreitung der Smartphones änderte sich das grundlegend. Plötzlich hatte man jederzeit und überall Zugriff auf das Internet und konnte somit fast ungehindert Pornografie konsumieren. Zwar gab es immer noch gewisse technische Einschränkungen und eine gewisse Hemmschwelle, doch mit dem Aufstieg von Social Media fielen auch diese letzten Hürden. Durch Social Media verbreiten sich Inhalte heute rasanter. Auch Pornografie ist davon stark betroffen. Damit hat nun praktisch jede Person jederzeit die Möglichkeit, sexuelle oder pornografische Inhalte zu konsumieren. Altersbeschränkungen spielen dabei kaum noch eine Rolle, da sie nicht nach einer Alterskontrolle verlangen. Viele Plattformen sind ausserdem so gestaltet, dass sie vor allem von Kindern und Jugendlichen genutzt werden.
Wie funktioniert die Übersexualisierung?
Schon zu Zeiten, als Pornografie nur in Form von DVDs existierte, galt sie als moralisch verwerflich und wurde stark kritisiert. Mit dem Aufkommen des Internets wurde der Konsum dieser Inhalte zwar vereinfacht, doch die gesellschaftliche Debatte blieb weiterhin bestehen, ebenso wie man weiterhin darauf achtete, bei dem Konsum nicht erwischt zu werden. Pornografie ist nicht grundsätzlich problematisch, aber wie bei vielem gilt auch hier der Grundsatz: Die Menge macht das Gift. Der übermässige Konsum kann ernsthafte Folgen mit sich bringen. Von Erektionsstörungen über Kontrollverlust bis hin zu Suchtverhalten und weiteren psychischen Belastungen.

Doch mit der Zeit hat sich auch die Pornografie stark verändert. Heute bieten zahlreiche Social-Media-Plattformen einen nahezu grenzenlosen Zugang zu pornografischen oder sexualisierten Inhalten. Vor allem jedoch ist Sexualität kein Tabuthema mehr, sondern sie ist allgegenwärtig und offen präsent. Sexuelle Darstellungen werden häufig als Ausdruck von Selbstbefreiung oder als Protest gegen traditionelle Geschlechterrollen gefeiert. Sexuelle und pornografische Inhalte sind mittlerweile fester Bestandteil sozialer Medien, ebenso selbstverständlich wie Tutorials, Trends oder Unterhaltungsvideos. Durch Algorithmen werden Inhalte, welche viel Aufmerksamkeit erregen, bevorzugt angezeigt, und nichts zieht mehr Blicke auf sich als Sexualität. Das führt zu einem Kreislauf, in dem sexualisierte Inhalte immer weiter gezeigt und nachgeahmt werden. Besonders Jugendliche orientieren sich an diesen Vorbildern und beginnen, sich selbst nach solchen Idealen zu inszenieren. So wird Sexualisierung zu einem Mittel der Selbstdarstellung und sozialen Bestätigung. Die Übersexualisierung funktioniert also nur durch die Aufmerksamkeit, welche sie auf Social Media erhält, der Beeinflussbarkeit der Jugendlichen und dem Wunsch, dazuzugehören.
Arten der Übersexualisierung?
Diese sexualisierten Inhalte haben ihren Weg nicht von alleine auf Social Media gefunden. Es wurde durch ein Zusammenspiel von mehreren Gruppen auf Social Media gebracht und dort verbreitet. Die grösste Rolle spielen Influencer, das moderne Pendant zu den Stars vergangener Generationen. Sie haben einen grossen Einfluss auf die Jugend und teilweise auch auf Erwachsene. Die meisten Influencer welche diese Sexualisierung vorantreiben sind Frauen. Ihnen wurde durch Plattformen wie TikTok oder Instagram ermöglicht sich in kürzester Zeit eine grosse Anzahl Fans anzusammeln. Auch die Möglichkeit sich selbst zu sexualisieren blieb ihnen nicht verwehrt. Und dank weiteren Plattformen wie Onlyfans hatten diese Influencer die Möglichkeit sich ganz auszuziehen und damit auch Geld zu verdienen. Jedoch bleibt die Verantwortung nicht ganz an den Influencern hängen. Firmen und Spieleentwickler haben sich den stärkeren sexuellen Trieb von Jugendlichen zunutze gemacht und angefangen mit sexualisierter Werbung auf Social Media Kunden anzulocken. Am häufigsten wird versucht für Smartphone Spiele Werbung zu machen indem man weibliche Charaktere extrem sexualisiert darstellt. Nicht zuletzt spielen Trends auf Social Media eine grosse Rolle. Musik, Tänze und Kleider Trends sind oftmals sexualisiert oder spielen mit sexuellen Mitteln.
Was sind die Folgen dieser Übersexualisierung?
Noch lässt sich schwer vorhersagen, wohin die Entwicklung der Übersexualisierung auf Social Media führen wird. Fest steht jedoch, dass dieses Phänomen eng mit dem Aufstieg von Plattformen verbunden ist, deren Hauptfunktion im Teilen und Konsumieren kurzer Videos liegt etwa TikTok, Instagram Reels oder YouTube Shorts. Diese Formate leben von Aufmerksamkeit, schnellen Reaktionen und visueller Reizüberflutung, was die Verbreitung sexualisierter Inhalte besonders begünstigt.
Da die gesellschaftlichen und psychologischen Auswirkungen solcher Kurzvideo-Plattformen noch nicht vollständig erforscht sind, lässt sich auch der langfristige Einfluss auf die Sexualisierung junger Menschen derzeit nur schwer einschätzen. Vermutlich wird sich die Entwicklung ähnlich gestalten wie in den 1990er-Jahren, als pornografische Inhalte erstmals leicht im Internet verfügbar wurden: Anfangs stiess das Thema auf starke Kritik und Ablehnung, später folgten Regulierungen, gesellschaftliche Diskussionen und schliesslich eine gewisse Normalisierung.
Wahrscheinlich wird auch die heutige Phase der Übersexualisierung mit der Zeit abflachen. Wenn sich gesellschaftliche Normen und rechtliche Rahmenbedingungen weiterentwickeln, könnte der Reiz, sich im Internet halbnackt oder nackt zu zeigen, allmählich nachlassen. Dadurch würde die Menge an sexualisierten Inhalten sinken und mit ihr auch der Einfluss solcher Darstellungen auf insbesondere junge Männer und Frauen.



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